BGH Urteile vom 29. Juli 2015 (IV ZR 384/14 und IV ZR 448/14):

 

Der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich erstmals mit Einzelheiten der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Lebens- und Rentenver­sicherungsverträgen zu befassen, in denen die Versicherungsnehmer nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages erklärt hatten.

 

Der Fall:

Die Kläger hatten bei dem beklagten Versicherer im Jahr 1999 bzw. im Jahr 2003 fondsgebundene Renten- bzw. Lebensversicherungsverträge nach dem in § 5a VVG a.F. geregelten sogenannten Poli­cenmodell abgeschlossen. Jahre später kündigten sie die Verträge und erklärten schließlich den Wi­derspruch nach § 5a VVG a.F. Der Versicherer zahlte auf die Kündigungen hin den jeweiligen Rück­kaufswert an die Kläger aus. Diese verlangen nun mit ihren Klagen Rückzahlung aller von ihnen ge­leisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich der Rückkaufswerte, da die Verträge infolge der Widersprü­che nicht wirksam zustande gekommen seien.

 

Die Entscheidung:

Der IV. Zivilsenat des BGH hat bereits mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11) entschieden, dass Ver­sicherungsnehmer bei der nach einem wirksamen Widerspruch durchzuführenden bereicherungs­rechtlichen Rückabwicklung ihrer Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien zurückverlangen können; vielmehr müssen sie sich den jedenfalls bis zur Kün­digung des jeweiligen Vertrags genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen.

 

Ausgehend hiervon waren in den Streitfällen der geschuldeten Wertersatz auf der Grundlage der Prä­mienkalkulation des beklagten Versicherers von den Berufungsgerichten in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise geschätzt und die auf die gezahlten Prämien entfallenden Risikoanteile in Ab­zug gebracht worden. Lediglich in einem Punkt hat der Bundesgerichtshof einen weiteren Abzug für geboten gehalten. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, muss sich der Versicherungsneh­mer zusätzlich zu dem Rückkaufswert, den er bereits vom Versicherer erhalten hat, die Kapitaler­tragssteuer nebst Solidaritätszuschlag, die der Versicherer bei Auszahlung des Rückkaufswertes für den Versicherungsnehmer an das Finanzamt abgeführt hat, als Vermögensvorteil anrechnen las­sen.

 

Weitere Abzugspositionen sind entgegen der Ansicht des Versicherers nicht in Abzug zu bringen. Dies gilt insbesondere für die vom Versicherer geltend gemachten Abschluss- und Verwaltungskos­ten. Insoweit kann sich der Versicherer nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Berei­cherung berufen. Die Verwaltungskosten sind bereits deshalb nicht bereicherungsmindernd zu be­rücksichtigen, weil sie unabhängig von den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen angefal­len und beglichen worden sind. Hinsichtlich der Abschlusskosten gebietet es der mit der richtlinien­konformen Auslegung des § 5a VVG a.F. bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers, dass der Versicherer in Fällen des wirksamen Widerspruchs das Entreicherungsrisiko trägt. Auch die Raten­zahlungszuschläge führen zu keinem teilweisen Wegfall der Bereicherung der Beklagten.

 

Die Bereicherungsansprüche der Kläger umfassen gemäß § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB auch die durch den Versicherer gezogenen Nutzungen, wobei es auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen ankommt. Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit beim Versicherungsnehmer. Bei der Bezifferung der Nutzungen kann der Versicherungsnehmer sich nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Ver­sicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe, etwa in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, stützen. Über weitere Einzelfragen des Nutzungser­satzes hatte der Bundesgerichtshof in diesen Revisionsverfahren aber nicht zu entscheiden, da keine der Parteien Einwendungen gegen die Schätzung des Berufungsgerichts erhoben hat.

 

Fazit:

Das Urteil bringt die Klärung weiterer Fragen zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Ver­sicherungsverträgen nach einem Widerspruch nach § 5a VVG a.F.. Es wird somit für Versicherungs­nehmer überschaubarer, welche Rückzahlung sie erwarten können.

 

Vorinstanzen:

OLG Köln – Urteil vom 5. September 2014 – 20 U 77/14

LG Aachen – Urteil vom 11. April 2014 – 9 O 419/13

 

und

 

OLG Köln -Urteil vom 17. Oktober 2014 – 20 U 110/14

LG Aachen – Urteil vom 6. Juni 2014 – 9 O 77/14

 

 

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 131/2015 vom 29.07.2015